Rheinberg, 13.09.2023Er ist der Architekt der neuen Markenwelt von Underberg. Rolland Altfater, Geschäftsführender Gesellschafter der Kreativagentur für Markengestaltung „Brands for Business“, ist seit über zehn Jahren für die Semper idem Underberg AG tätig. Rund um die Verleihung des Deutschen Verpackungspreises am 13. September in Berlin, den seine Agentur zusammen mit der Marke Underberg gewonnen hat, sprachen wir mit dem Creativ Director über den Relaunch der Traditionsmarke.
Herr Altfater, das Deutsche Verpackungsinstitut hat die neue Markenwelt von Underberg in der Kategorie „Gestaltung und Veredlung“ als Gewinner ausgezeichnet. In der Begründung heißt es, dass das neu entwickelte Brand Image von Underberg die Marke in einem zeitgemäßen Licht präsentiert. Wie bewerten Sie den Preis?
Rolland Altfater: Wir haben gemeinsam mit den Verantwortlichen von Underberg eine Reise begonnen, die im Markt für Aufsehen gesorgt hat. Es kristallisierte sich von früh heraus, dass wir uns auf einem guten Weg befinden. Als wir nach monatelanger Arbeit die Ergebnisse aus der Marktforschung gesehen haben, wurden meine ohnehin positiven Erwartungen voll erfüllt.
Dann gehen wir gerne an den Anfang des Prozesses zurück. Was lag denn dem umfangreichen Relaunch der Marke Underberg vor zwei Jahren zugrunde?
Die Marke Underberg ist eine feste Größe im deutschen Markenwesen. Dementsprechend war auch unsere Vorfreude, als Underberg im Frühjahr 2020 mit der Bitte an uns herantrat, die Verpackung zum 175-jährigen Geburtstag des Unternehmens zu designen. Den Anfang unserer Wegstrecke, bei der wir das Markenbild in Gänze in den Blick nahmen, gingen wir noch gemeinsam mit unserem Mentor Peter Maeschig, der die Ergebnisse unseres Entwicklungsprozesses leider nicht mehr miterlebte. Das Ziel war schon damals klar: Die Marke Underberg muss für jüngere Zielgruppen attraktiver werden. Dazu brauchte es allerdings mehr. Aus dem Relaunch der Verpackung wurde ein Relaunch der Marke.
Wie war die Reaktion in Rheinberg?
Wie bei den meisten Unternehmen in so einer Situation: Man war zwar aufgeschlossen gegenüber der Idee, befürchtete jedoch gleichzeitig, durch eine revolutionäre Veränderung nicht den Nerv der Stammverwender zu treffen.
Wie haben Sie und Ihr Team die Verantwortlichen überzeugt?
Erst einmal haben wir zusammen die Leitplanken für den Relaunch festgelegt. Das ist im intensiven Austausch mit dem Vorstand und dem Brand Management passiert. Die Ergebnisse waren maßgeblich für den weiteren Verlauf – genau wie die anschließende Abstimmung mit der Familie Underberg. Wir waren uns einig: Mit einem Augenzwinkern wollten wir an die Sache herangehen, und die Kultiviertheit des Produktes sollte erhalten bleiben. Allerdings war uns wichtig, nie Standard zu sein, unser Ziel war es vielmehr zu überraschen und zu inspirieren. Man darf in diesem Zusammenhang niemals vergessen: Der Firmen-Gründer und seine Nachfolger waren mutig. Sie sind mit ihrem Produkt zu Weltausstellungen gereist, haben schon vor 100 Jahren den Kräuter-Bitter international vermarktet und in den 1950er Jahren damit angefangen, das Produkt ausschließlich in die 20ml-Portionsflasche umwickelt mit Strohpapier abzufüllen, obwohl die meisten Experten davon abgeraten haben. Dieser Pioniergeist, dieser Mut sollten zur Geltung kommen.
Und das kann man graphisch zum Ausdruck bringen?
Das ist die Aufgabe der Markengestaltung. Und gelungenes Design orientiert sich in unseren Augen auch immer an den Wurzeln der Marke und des Unternehmens. Zumal ich sehr großen Respekt vor der Marke Underberg und ihrer Geschichte habe. Das führte zum ersten Grundsatz: Das ikonische Produkt, die unverwechselbare Portionsflasche, ist und bleibt der „Hero“. Auch der Underberg-Schriftzug sollte erhalten bleiben – aber mit einer klaren Typographie, dem grünen Streifen und dem 45-Grad-Winkel.
Was ist mit der Verbindung von Tradition und Moderne? Welcher Ansatz wurde hier verfolgt?
Wir haben zwei Stilrichtungen miteinander kombiniert: Deutsche Romantik, die im Jahr der Unternehmensgründung 1846 en vogue war, und Pop-Art – eine Kunstrichtung, die in den 1950er Jahren entstanden ist und noch heute einen großen Einfluss auf unsere Kultur hat. Durch die Verknüpfung dieser Stilrichtungen konnten wir eine märchenhafte, mystische und magische Welt erschaffen. Eine Welt, die es dank Underberg und seiner Kräuter aus 43 Ländern zu entdecken gilt. Ein multidimensionaler Kosmos, der schon bildlich auf der Kräuterkompetenz des Unternehmens aufsetzt. Durch die Farben und die Motive – die Figuren orientieren sich an Künstlern wie Caspar David Friedrich oder Carl Spitzweg – wirkt diese Optik ungewöhnlich, vielfältig und weckt Neugierde. Das Design fällt auf, ist individuell, modern und bringt die magische Geschmacksexplosion von Underberg zum Ausdruck.
Beim Etikett haben Sie die Sonne integriert. Wofür steht dieses Element?
Für uns ist sie das Symbol für Fortschritt, Vitalität und Lebensfreude. Sie steht für die belebende Wirkung des Kräuter-Bitters.
Für mehr war leider kein Platz mehr?
Das war sicherlich eine der größten Herausforderungen. Man hat nicht viel Raum auf einer solchen Flasche. Zumal das Selbstverständnis des Produktes rund um das Qualitätsversprechen „Semper idem“ in Textform nicht fehlen durfte.
Apropos Text: Es fällt auf, dass die Produktbezeichnung und die Adresse links unterschiedliche Typographien aufweisen. Warum das?
Es drückt die Vielfalt des Produktes und der Marke aus.
Und warum sind auf dem Etikett nur unten die „bunten“ Kräuter zu sehen?
Wie bereits erwähnt, symbolisiert die geheimnisvoll anmutende Flora die Kräuterkompetenz des Unternehmens. Das ist die Basis. Nach oben hin sollte es zur Entfaltung offen sein, man öffnet sich neuen Zielgruppen und neuen Herausforderungen.
Sind eigentlich reale Kräuter abgebildet? Oder entstammen die eher der Fantasie? Immerhin kennen nur eine Handvoll Menschen die verschiedenen Kräuter aus 43 Ländern.
Selbstverständlich sind das keine realen Kräuter. Doch neben der Wahrung der Geheimhaltung hat das noch einen weiteren Vorteil: Wie Sie gerade selbst gesagt haben, regt das die Fantasie an. Ein Markenauftritt muss auch Raum für Interpretationen lassen.